Interview des BitcoinBlogs mit unserem unserem Managing Director und Co-Founder Sebastian Liebscher
Der BitcoinBlog hat ein lesenswertes Interview mit unserem Managing Director und Co-Founder Sebastian Liebscher geführt.
„Der deutscher Regulator hat relativ früh ein Framework für tokenisierte Wertpapiere vorgelegt.”
Mit dem Elektronischen Wertpapiergesetz hat Deutschland die rechtlichen Grundlagen für „Kryptowertpapiere” geschaffen. Weil es weiterhin viel Verwirrung um diese Art von Finanzprodukten gibt, haben wir mit einem Berater gesprochen, der sich auf das Thema spezialisiert hat.
Sebastian Liebscher, 33 Jahre alt, lebt in München und berät mit seiner Gesellschaft FinPlanet regulierte Finanzdienstleister und FinTechs beim Aufbau DLT-basierter Kapitalmarktinfrastrukturen.
Zuvor hat Sebastian beim Bankhaus von der Heydt als Prokurist den Bereich Digital Banking aufgebaut. Nach einer kurzen Zwischenstation bei einem Frankfurter Immobilien-Asset Manager, der ihn und seinen Kollegen Maximilian Ludwig abgeworben hatte, machten sie sich dann aber mit FinPlanet selbständig.
Dabei beschäftigt er sich auch mit Kryptowertpapieren, einer Rechtsform, die es bisher nur in Deutschland gibt. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um ihm all jene Fragen dazu zu stellen, die uns schon lange plagen.
Hallo Sebastian, lass uns mit einem Satz ins kalte Wasserbeginnen. Ihr beratet Kunden dabei, Wertpapiere elektronisch anstatt physisch zu emittieren. Mit dem eWpG ist das nun auch rechtlich möglich, entweder als elektronisches Wertpapier oder als Kryptowertpapier. Was ist dabei der Unterschied?
In beiden Fällen werden Urkunden digital repräsentiert, was die bislang notwendige physische Globalurkunde ersetzt. Das ist die Gemeinsamkeit.
Ein zentrales Register für elektronische Wertpapiere kann nebeneiner Wertpapiersammelbank wie Clearstream auch eine Depotbank selber führen. Dazu braucht sie noch nicht mal eine neue Lizenz. Sie könnten das zentrale Register technisch sogar auf der Blockchain führen.
Bei einem Kryptowertpapier dagegen ist ein Kryptowertpapierregisterführer als lizenzierter Finanzdienstleister notwendig. Hier werden Wertpapiere als Token herausgegeben, was diverse Vorteileverspricht: etwa Effizienzvorteile in Middle- und Backoffice-Tätigkeiten, höhere Liquidität durch Fraktionalisierung, etc. Denkt man das Ganze etwas weiter, kann durch das DLT-Pilot-Regime auch das Handels- und Settlementsystem DLT-basiert stattfinden. Dadurch ändert sich auch die heutige Wertschöpfungskette im Zweitmarkt und Rollen werden neu verteilt. Wichtig ist allerdings, dass ein tokenisierter Euro die Basis ist, um die Effizienzvorteile tatsächlich nutzen zu können.
Was würde all das für Kunden und Unternehmen bedeuten?
Mittel- bis langfristig können durch die Automatisierung über Smart Contracts erhebliche Kosten eingespart werden. Zum Beispiel können Corporate Actions wie Zinszahlungen in Zukunft über einen Smart Contract ausgelöst werden. Denkt man das Ganze noch weiter, könnte der Smart Contract gleich die Kapitalertragssteuer an den Staat bezahlen. Für den Empfang würde das Finanzamt natürlich ebenfalls ein Wallet benötigen.
Mit Kryptowertpapiere fallen Delivery vs. Payment in Zukunft zusammen und können in Echtzeit stattfinden. Man braucht somit keine Wertpapiersammelbank mehr. Im Bereich von Wertpapier-Leih und Repo-Geschäften kann es durch die Tokenisierung des Collaterals auch zu Vorteilen in der Abfolge kommen. So kann das Collateral den Besitzer in Echtzeit wechseln, ohne Depotbanken einbinden zu müssen, wie es traditionell der Fall ist. Die Möglichkeiten sind nicht begrenzt. Abhängig vom betroffenen Unternehmen können Auswirkungen natürlich unterschiedlich sein.
Das klingt gut. Aber ist der Wertpapierhandel nicht schon heute für den Verbraucher sehr günstig, teilweise sogar fast kostenlos? Macht man sich mit Kryptowertpapieren nicht einen riesigen Aufwand, um die letzten paar Prozente rauszuholen?
Wie bereits gesagt, ist es am Ende eine Frage der Sichtweise. Dass eine DLT-basierte Kapitalmarktinfrastruktur das Potenzial hat, interne Kosten und Mühen einzusparen, ist glaube ich klar. Broker, die Kunden heute sehr günstig traden lassen, haben am Ende entweder eine höhere Marge oder geben eventuelle Kostenvorteile an ihre Kunden weiter. Ob der Endkunde am Ende etwas von Kryptowertpapieren hat, hängt vom Markt ab, das können wir nicht sagen. Wir sagen nur, dass die Unternehmen definitiv Kosten sparen, vor allem dann, wenn die Komplexität der Transaktionen zunimmt, etwa im Auslandshandel.
Meinst du, dass auch etwas Neues entsteht, anstatt nur Kosten zu sparen? Etwa neue Wertpapierklassen?
Ja, Durch die neue Technologie und den damit eingehenden Effizienzvorteilen sinken die Markteintrittsbarrieren für Emittenten. Ein Emittent kann in Zukunft mit deutlich geringerem Emissionsvolumen positivlaufen. Hierdurch können Assetklassen, welche in der alten Welt vorerst gepoolt wurden, Investoren einzeln angeboten werden. Ich sehe die Zukunft so, dass ich in alle Assets direkt investieren kann. Wird etwa eine Ladesäule für Elektroautos bei mir um die Ecke aufgestellt, und ich sehe großes Potenzial in der Auslastung aufgrund der Lage, dann fotografiere ich den QR-Code ab und zeichne einen Token, der mir Gewinnansprüche an dieser speziellen Ladesäule verkörpert. Vorausgesetzt alle regulatorischen Hürden wie KYC etc. sind erfüllt. Habe ich jetzt auch tokenisiertes Geld, so kann ich aufgrund der Effizienz realtime Ausschüttungen erhalten, je nachdem wie viel gerade geladen wurde.
Der Ansatz, den der Gesetzgeber hier gewählt hat, ist das elektronische Wertpapiergesetz mit der Verordnung für Kryptowertpapierregisterführer. Wie schätzt du das ein?
Insgesamt sehr positiv. Der deutscher Regulator hat relativ früh ein Framework für tokenisierte Wertpapiere vorgelegt und somit eine Grundlage für den Finanzmarkt geschaffen, rechtssicher die neue Technologie einzusetzen. Allerdings gibt es Unterschiede zu den Gesetzen auf EU-Ebene. Das deutsche eWpG gestattet bisher nur Inhaberschuldverschreibungen und Fondsanteile als Kryptowertpapier. Aktien werden mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz noch folgen. In der EU dagegen definiert man bereits heute im Rahmen des DLT-Pilot-Regime DLT-Finanzinstrumente, als Aktien, Fonds und Anleihen mit gewissen Hürden. Hier spricht man im Recht von sogenannten Friktionen.
Damit Kryptowertpapiere ihr Potenzial ausschöpfen, müssen sie skalieren und mit einem digitalen Euro verbunden sein. Bis dahin ist es noch ein ziemlich weiter Weg mit vielen Hindernissen. Meinst du, wir kommen jemals an?
Ganz klar, ja! Gesetze sind bereits da. Proofs-of-Concept wurden gebaut. Die nächste Stufe ist es, skalierbare Lösungen zu bauen. Das ist sicherlich am herausforderndsten, allerdings aufgrund der bereits gesammelten Erfahrungswerten machbar. Man braucht jetzt einen Stablecoin, und weitere Provider, die Trust schaffen. Das wird wohl noch etwas dauern. Aber aufsichtsrechtlich spricht bereits heute nichts dagegen.
Wie hoch ist die Nachfrage unter Unternehmen?
Relativ groß. In fast allen großen Banken gibt es Arbeitsgruppen, die Knowhow aufbauen oder bereits aufgebaut haben. Siebeschäftigen sich mit DLT-basierten Kapitalmarktinfrastrukturen und ihrer potenziell künftigen strategischen Rolle. Auf der Nachfrageseite, bei Kapitalverwaltungsgesellschaften und Asset Managern, hat man das Thema momentan aber noch kaum auf dem Schirm. Dort sollte man anfangen sich auch Gedanken zumachen, wie bspw. ob es sich lohnt, selbst zum Kryptowertpapierregisterführer zu werden.
Es gibt ja schon die ersten Unternehmen, die als Krypotwertpapierregisterführer operieren. Was lernt man daraus?
Ein Problem, das sich zeigt, ist die Konnektivität. Wenn eine Bank ihren Kunden Kryptowertpapiere anbietet, braucht sie einen Kryptowertpapierregisterführer. Handel ich jetzt gegen andere Marktteilnehmer als Bank, dann müssen diese ebenfalls an ein Kryptowertpapierregisterführer angeschlossen sein. Sprich, die Konnektivität der Kryptowertpapierregisterführer untereinander und zu den Depotbanken ist eine aktuelle Herausforderung. Ich vergleiche es gerne mit E-Autos: Sie können heute bereits problemlos emittiert werden. Aber um mit meinem Auto weite Strecken zufahren, muss ich es laden und brauche die Infrastruktur dazu. Gleiches beim Kryptowertpapier. Damit es erfolgreich über Distributionskanäle vermittelt werden kann, brauche ich die Infrastruktur. Derzeit bilden sich die ersten Provider, die sich auf diese Konnektivität spezialisieren.
Welche Technologien sind derzeit am interessantesten?
Momentan würde ich sagen, Polygon ist sehr stark und setzt sich durch, aber auch andere Ansätze und Ideen kursieren. Swiat etwa baut auf einer private Chain, weil sie bei einer Sidechain wie Polygon regulatorische Risiken sehen. Am Ende bedarf es aber auch hier Lösungen, die Konnektivität schaffen. Technologie kann sich weiterentwickeln. Neue Chains können entstehen und sektorspezifische Vorteile haben. Diese müssen mit einander sprechen können.
Während die Kryptowertpapiere derzeit erst beginnen, skalieren tokenisierte Werte mit DeFi bereits massiv. Dabei spielen auch schon Finanzinstitutionen mit. Bauen das DLT-Regime und eWpG am Markt vorbei?
Ich würde sagen, nein. Man braucht eine Aufsicht, und diebraucht einen Ansprechpartner, den man haftbar machen kann. Daher verlangt der Regulator zentrale Counterpartys, die aber dezentrale Blockchains nutzen können. Um nur ein Beispiel zu bringen: Der ICO-Markt war vom Marktvolumen her im Vergleich zum weltweiten Wertpapiervolumen ein unbedeutender Bruchteil. Viele haben bei den unregulierten ICOs viel Geld verloren. Wäre das jetzt bei einem signifikanten Marktvolumen eingetreten, dann hättest du schnell ein volkswirtschaftliches Problem bekommen. Somit ist ein regulatorischer Rechtsrahmen die Voraussetzung für einen funktionierenden Finanzmarkt. Das schlimmste was passieren kann, ist wenn Menschen das Vertrauen verlieren.
Meinst du also, eWpG und DLT-Regime werden, wenn sie malskalieren, DeFi fressen?
Ich denke, die Betreiber oder Nutzer von DeFi werden sich der Regulierung unterwerfen müssen. Sie werden sich anpassen und auch Auflagenbeachten müssen. Zumindest in Europa wird sich die DeFi-Landschaft starkändern, und andere Länder werden nachziehen müssen, um europäische Kunden zu erreichen.
Kann die EU überhaupt die Regeln diktieren? Tether etwa wurden gerade deswegen riesig, weil die Herausgeber keine Regeln beachten, und die EU scheint da machtlos zu sein …
Regeln müssen immer auf den Markt reagieren. Die EU kann natürlich keine unrealistischen Regeln verhängen. Aber sie wird Regeln vorgeben und der Markt wird sich nach ihnen richten müssen.
Autor Originalartikel: Christoph Bergmann· 22.11.2023
Quelle zu dem Artikel: “Der deutscher Regulator hat relativ früh ein Framework für tokenisierte Wertpapiere vorgelegt.” – BitcoinBlog.de – das Blog für Bitcoin und andere virtuelle Währungen